Kundgebung am 25.11.2025  Ist Männergewalt ein Frauenthema?

2025/11 - 

Protest zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ohne Regierungsverantwortliche +++ Bündnis fordert mehr Schutz vor Gewalt gegen Frauen und kritisiert Kürzungen

Berlin, 25.11.2025. Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen hat ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis am Brandenburger Tor für den Schutz von Frauen und FLINTA am Brandenburger Tor demonstriert. Weder der Regierende Berliner Bürgermeister noch der Finanzsenator waren der Einladung gefolgt, ein Forderungspapier zur Verbesserung des Gewaltschutzes entgegenzunehmen. 

„13.640 Frauen und Mädchen haben im letzten Jahr allein in Berlin Anzeige wegen Häuslicher Gewalt erstattet. Und es sind noch viel, viel mehr, die damit allein bleiben”, erklärt Nua Ursprung, Sprecherin des Bündnisses, die Dringlichkeit des Anliegens.  

Im Mittelpunkt des diesjährigen Protests standen die drohenden Kürzungen im Bereich Gewaltschutz und Gleichstellung. Am Sonnabend haben die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD die Rücknahme der Kürzungen sowie eine Investition von 16 Millionen Euro für mehr Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen angekündigt. Details sind noch nicht bekannt.

„Wir begrüßen sehr, dass die Regierung die Kürzungen zurücknehmen und diese Fehlentscheidung rückgängig machen will. Es wäre in Anbetracht der stetig steigenden Gewaltzahlen nicht vertretbar gewesen, am Gewaltschutz für Frauen zu sparen. Die Ankündigung kam zwar rechtzeitig vor dem heutigen Aktionstag, aber leider zur spät, um die betriebsbedingten Kündigungen zurückzunehmen, die viele Einrichtungen bereits aussprechen mussten. Nun brauchen die Träger schnell Klarheit, damit die Strukturen nicht weiter Schaden nehmen beziehungsweise schnell wieder aufgebaut werden können. Ansonsten droht noch weniger Unterstützung für gewaltbetroffene FLINTA und ihre Kinder – längere Wartezeiten auf einen Frauenhausplatz und Anti-Gewalt-Beratungen“, so das Bündnis.

Rund 1.000 Personen folgten dem Aufruf zur Kundgebung und versammelten sich unter dem Motto: „Kürzt ihr uns zu Tode?! – Lasst uns gewaltfrei leben!” vor dem Brandenburger Tor. In den Beiträgen spiegelten sich Wut, Trauer, aber auch Zuversicht wider. Die Reden wurden von Gesängen, einem Trillerpfeifkonzert sowie einem Lichtermeer aus Taschenlampen begleitet. Die zentrale Botschaft: „Kürzungen kosten Leben.” Mit einer Schweigeminute wurde allen Frauen gedacht, die in diesem Jahr durch geschlechtsspezifische Gewalt getötet wurden. Laut Bundeskriminalamt wurden letztes Jahr 308 Frauen Opfer eines Femizids.

FLINTA steht kurz für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. 

 

„Durch die Kürzungen wird Infrastruktur abgebaut, die laut Gewaltschutzgesetz vorhanden sein muss. Gerade für migrantische Frauen* ist diese Infrastruktur wichtig, um Perspektiven für ein Leben ohne den Täter aufzuzeigen. Wir müssen jetzt Präsenz zeigen, besonders für die Frauen*, die selbst nicht die Ressourcen haben, um sich gegen die Kürzungen zur Wehr zu setzen!
Merle Amelung, Vertreterin des Forums der Migrantinnenprojekte

„Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen ist erschreckend! Es muss das gemeinsame Ziel aller Parteien sein, diese zu reduzieren. Wir begrüßen, dass sich die Koalition jetzt nach Protesten doch entschlossen hat, mehr für den Schutz von Frauen zu tun und deshalb mehr Geld für Frauenhäuser u.a. zur Verfügung stellt. Aber das reicht nicht! Was wir außerdem brauchen, sind langfristig gesicherte, wirkungsvolle Projekte, beispielsweise zur Aufklärung bei Partnerschaftsgewalt gegen Jugendliche. Wir brauchen weiterhin Beratungsangebote für betroffene Frauen und mehr Anti-Gewalt-Beratungsstellen. Bis jetzt ist bei vielen Projekten immer noch nicht klar, ob sie weitergehen. Das Präventionsangebot von BIG an Schulen ist sogar komplett gestrichen und wird zu 2026 nicht mehr existieren. Wer Gewalt gegen Frauen wirklich bekämpfen will, darf hier nicht kürzen, sondern muss die Hilfen ausbauen!“
Astrid Lück, Referentin Familie, Frauen, Mädchen, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V. 

„Ich bin seit mehr als drei Jahrzehnten im Bereich Frauen* und Gleichstellung, im Antigewaltbereich beruflich tätig. Es ist für ein Land wie Deutschland beschämend, in dieser langen Zeit so wenig im Gewaltschutz für Frauen* erreicht zu haben. Wir setzen unsere ganze Hoffnung jetzt auf die zügige Umsetzung der Istanbul-Konvention und auf die Umsetzung der Vorgaben durch das Gewalthilfegesetz.“
Birgit Münchow, Fachreferentin Frauen, Gleichstellung, LSBTI*, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin

„Die gemeldeten Fälle Häuslicher Gewalt steigen von Jahr zu Jahr. Doch statt gewaltbetroffene Frauen und FLINTA besser zu schützen, kürzt der Berliner Senat im Sozial- und Anti-Gewalt-Bereich. Dieser eklatante Mangel politischen Willens ist nicht nur frustrierend, er gefährdet Leben. Dabei haben wir die Konzepte und wir haben die Expertise. Was uns fehlt, ist die Finanzierung.“
Nua Ursprung, Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG e.V.)

Das Bündnis fordert, dass: 

  • jede gewaltbetroffene Frau/FLINTA+ noch am selben Tag Schutz und Sicherheit findet.
  • Kinder nicht bei gewalttätigen Vätern bleiben oder diese weiterhin besuchen müssen.
  • gewaltbetroffene Frauen/FLINTA+ schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten.
  • Polizei, Jugendämter, Familiengerichte und alle öffentlichen Stellen Frauen/FLINTA+ ernst nehmen und kompetent unterstützen.
  • ausreichend Beratungs- und Therapieplätze zur Verfügung stehen.
  • Berlin Frauen/FLINTA+ aktiv dabei unterstützt, finanziell unabhängig zu werden.
  • Männer, die Gewalt ausüben, verpflichtet werden, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern und ein Angebot der Täterarbeit absolvieren müssen.